Uraufführung der ersten drei Sätze am 4. März 1895 in
Berlin Vollständige Uraufführung am 13. Dezember 1895 in Berlin jeweils unter Leitung
von Gustav Mahler
- Allegro maestoso. Mit durchaus ernstem und feierlichem Ausdruck.
- Andante moderato. Sehr gemächlich. Nie eilen.
- In ruhig fließender Bewegung.
- "Urlicht". Sehr feierlich, aber schlicht.
- Im Tempo des Scherzo. Wild herausfahrend.
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Im Oktober 1891 erwähnte Mahler erstmalig in einem Brief an den Mainzer Schott-Verlag eine
"sinfonische Dichtung", die den Titel "Totenfeier" trägt. Wahrscheinlich hat er schon 1888 in
Leipzig während der Vollendung der Ersten Sinfonie am ersten Satz der Zweiten Sinfonie gearbeitet
und es hat den Anschein, als ob er die Komposition zunächst als eigenständige "Sinfonische
Dichtung" herausbringen wollte; man kann aber auch nicht ausschließen, dass es umgekehrt gewesen
ist und das Stück zunächst als Kopfsatz einer Sinfonie gedacht war, bevor Mahler es als
Sinfonische Dichtung veröffentlichen wollte: Die früheste Handschrift trägt den Titel
"Todtenfeier/Symphonie in c-Moll/I Satz", wobei "Symphonie in c-Moll" ausgestrichen ist. Mit Sicherheit
hat er aber am 8. August auf seinem neuen Posten in Prag die Totenfeier vollendet und am 10. September
1888 die komplette Partitur vorgelegt.
1891 kam Mahler als Opernkapellmeister nach Hamburg. Dort spielte er dem berühmten Dirigenten
Hans von Bülow (1830-1894) seine Totenfeier vor. Dieser reagierte entsetzt, hielt sich die
Ohren zu und sagte: "Wenn das noch Musik ist, dann verstehe ich überhaupt nichts von Musik".
Sicherlich ist dies - neben Mahlers Arbeitsbelastung - ein wichtiger Grund, warum die Komposition noch
weitere zwei Jahre in der Schublade liegen blieb.
Erst 1893, als Mahler zum ersten Mal seine Sommerferien am Attersee verbrachte, setzte er die Arbeit
an der c-Moll-Sinfonie fort: Bis Ende Juli waren die Partituren der drei Mittelsätze fertig
gestellt.
Im März 1894 wohnte Mahler der Beisetzung von Bülows in Hamburg bei; dort hörte er einen
Choral von Klopstock, "Auferstehung": "Es überkam mich wie der Blitz und alles stand klar und
eindeutig vor meiner Seele!" Inzwischen hatte er das Komponierhäuschen am Attersee bauen lassen,
wo er im folgenden Sommer den Schlusssatz der Zweiten Sinfonie vollendete. Die Uraufführung der
vollständigen Sinfonie im Dezember 1895 in Berlin kann als relativer Durchbruch des Komponisten
Mahler bezeichnet werden: Zwar gab es auch "Gegnerschaft, Verkennung, Verkleinerung, Verhöhnung",
wie Bruno Walter es ausdrückte, "doch war der Eindruck von der Größe und
Originalität des Werkes, von der Gewalt des Mahler'schen Wesens so tief, dass man von diesem Tag
an seinen Aufstieg als Komponist datieren kann."
Ihren Titel erhielt die Sinfonie von der im 5. Satz verwendeten Klopstock-Ode.
"Ich habe den ersten Satz 'Totenfeier' genannt, und wenn Sie es wissen wollen, so ist es der Held
meiner D-Dur-Sinfonie (der Ersten), den ich da zu Grabe trage und dessen Leben ich von einer
höheren Warte aus in einem reinen Spiegel auffange. Zugleich ist es die große Frage: Warum
hast du gelebt? Warum hast du gelitten? Ist das alles nur ein großer, furchtbarer Spaß?
Wir müssen diese Fragen auf irgendeine Weise lösen, wenn wir weiterleben sollen - ja, sogar,
wenn wir nur weitersterben sollen! In wessen Leben dieser Ruf einmal ertönt ist - der muss eine
Antwort geben, und diese Antwort gebe ich im letzten Satz", schreibt Mahler zu dieser Sinfonie.
Der 1. Satz basiert auf dem Rhythmus für einen Trauermarsch, die gigantische
Musik ist in c-Moll gehalten, einem Bild des Todes. Mahler hat selbst im Oktober 1900 eine
programmatische Analyse seiner Sinfonie verfasst (deren Veröffentlichung er später
unterband), in der er den Kopfsatz wie folgt beschreibt: "Wir stehen am Grabe eines geliebten Wesens.
Zum letzten Male laufen sein Leben, Kampf, Leiden und Bestrebungen in unseren Gedanken vorbei. Und
jetzt, da wir alle Trivialitäten des täglichen Lebens abstreifen, ist unser Herz von der
Stimme gerührt, der wir sonst im Alltag kaum Achtung schenken: 'Was jetzt? Was ist das Leben -
und nun dieser Tod? Gibt es ein Fortbestehen? Ist das nur ein verwirrter Traum oder hat dieses Leben
und dieser Tod eine Bedeutung?'"
Ungeachtet des geringen Umfangs des zweiten Themas hat der Satz traditionelle Sonatenform und ist
daher klassischer als der erste Satz der 1. Sinfonie. Eines der Auferstehungsthemen des Schlusssatzes
taucht in der Durchführung als Andeutung auf. In der veröffentlichten Partitur gibt Mahler
an, dass nach dem ersten Satz eine Pause von mindestens fünf Minuten eintreten sollte.
Der 2. Satz in As-Dur ist ein im Grunde anmutiges und inniges Andante moderato:
"Ein glückseliger Augenblick aus dem Leben des geliebten Verstorbenen und eine sehnsuchtsvolle
Erinnerung an seine Jugend und seine verlorene Unschuld." In den beiden mittleren Teilen legt sich eine
latente Bedrohung auf die träumerisch-schöne Stimmung, welche durch exzessive Glissandi vor
allem der Celli, aber auch durch das kecke Echo der Flöten auf das Streicher-Pizzicato immer
wieder ironisch gebrochen wird.
Zwischen den letzten drei Sätzen folgen nach Mahlers Anweisung keine
Unterbrechungen mehr.
Der 3. Satz beginnt wieder in c-Moll. Von gewaltigen Paukenschlägen
begonnen, leiten ein höhnisches Fagott und eine spöttische Klarinette eine ausführliche
Paraphrase des Liedes "Des Antonius von Padua Fischpredigt" aus "Des Knaben Wunderhorn" ein. Besonders
reizvoll ist das Wechselspiel zwischen der anmutigen Phrase der B-Klarinette sowie der Streicher
einerseits und der wie Hohn wirkenden Antwort der Es-Klarinette. "Der Geist der Pietätlosigkeit,
der Verneinung hat ihn ergriffen. Er sieht den Tumult, der um ihn herrscht, und zusammen mit seiner
kindlichen Unschuld verliert er die innere Standhaftigkeit, die nur die Liebe schenken kann. Er
zweifelt an sich und Gott, Welt und Leben werden zu Phantomen. Ein Abscheu vor allem Sein und
Wachsendem ergreift ihn und lässt ihn in Verzweiflung aufschreien."
Der Satz ist ein teils lustiges, teils groteskes Scherzo, vor allem durch die Bläser bestimmt.
Reichlich unerwartet setzt im Mittelteil ein von Hörnern und Trompeten herrlich klar gejauchzter
D-Dur-Triumph ein, der in eine romantische Mondscheinstimmung hinübergleitet; der
traumhaft-schöne Höhepunkt des Satzes, bevor er zur Fischpredigt zurückkehrt. Noch
einmal erhebt sich die Musik in stürmische Höhen, einen "Schrei der Verzweiflung" (Mahler),
um schließlich in c-Moll abzuebben.
Direkt anschließend ertönt die Stimme der Altistin; sie singt das Gedicht "Urlicht" aus
"Des Knaben Wunderhorn". In der Dunkelheit der Welt leuchtet geheimnisvoll ein fernes Licht. "Die
rührende Stimme naiven Glaubens klingt in seinem Ohr: 'Ich komme von Gott und zu Gott will ich
zurückkehren.'" Ruhe und Glück scheinen Einkehr zu halten, eine friedliche Stimmung breitet
sich wirkungsvoll aus, schon scheinen sich die Himmelspforten aufzutun.
Von Ferne erklingt der Ruf der Hörner, ein Choral setzt ein und wird zum vorwärts
drängenden Marsch der Toten zum "großen Appell". Mit großer Anschaulichkeit und
Eindringlichkeit zeichnet Mahler den "Dies irae", das Jüngste Gericht. Schon scheint sich die
Erlösung abzuzeichnen, doch da erfolgt ein weiteres Mal der mächtige Ausbruch des gesamten
Orchesters. In ersten zarten Andeutungen ertönen instrumental die Klänge des Schlusschores,
Hoffnung zeichnet sich ab. Wieder ertönt einsam der ferne Ruf der Hörner und Trompeten.
Stille breitet sich aus, aus deren unergründlicher Tiefe sich geheimnisvoll der a-capella-Chor
erhebt. Mit dem zart hervortretenden Sopran, den aufblitzenden Violinen und dem Trompetensolo erscheint
erstmalig die Vision der Apotheose am Horizont. "Wieder aufzublüh'n, wirst du gesät." Der Tod
ist nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang: "Aufersteh'n! Ja, aufersteh'n! Sterben werd' ich, um zu
leben!" In nie zuvor erreichter, blendend hell strahlender Schönheit schließen Chor und
Orchester, begleitet von Orgel und Glocken, diese gewaltige Sinfonie voller Euphorie ab. |