Die Belle Epoque in Europa
Frankreich
Straßburg
Die Verbindung von Art Nouveau und Jugendstil
Architektur in Straßburg im Detail: Architecture et histoire des bâtiments et lieux

Als das fränkische Reich Karls des Großen nach dem Tod seines Sohnes unter die drei Enkel aufgeteilt wurde, begann mit den Straßburger Eiden 842 für Straßburg eine Geschichte, in der sich die Stadt immer wieder zwischen den beiden Reichen im Westen und im Osten wiederfand. Gehörte das Elsass zunächst für kurze Zeit dem sog. Mittelreich und anschließend Lotharingien an, wurde es nach dem Vertrag von Meersen 870, abgesehen von einer kurzen Zugehörigkeit zum Westfrankenreich von 913 bis 925, Teil des Ostfrankenreichs, aus welchem sich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation entwickelte, dem Straßburg als Freie Reichsstadt angehörte.

Nach dem 30-jährigen Krieg fielen 1648 im Westfälischen Frieden die größten Teile des Elsass an Frankreich. Fehlende Teile wurden später von Ludwig XIV. erobert und annektiert, zuletzt Straßburg im Jahre 1681. Für die nächsten knapp 200 Jahre gehörte es Frankreich an, bis im Zuge des Deutsch-Französischen Kriegs und der Gründung des deutschen Kaiserreichs das Elsass und Teile Lothringens von diesem annektiert wurden. Von 1871 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte Straßburg zu Deutschland, um 1918 endgültig nach Frankreich zurückzukehren. Viele, vermutlich die meisten Elsässer, das sollte nicht unerwähnt bleiben, betrachten sich jedoch weder als Franzosen noch gar als Deutsche, sondern als Elsässer mit eigener Geschichte, eigener Kultur und eigener Sprache.

Einer der prominentesten Straßburger, der Künstler Tomi Ungerer, verdeutlichte diese
Sicht der Lage Straßburgs und des Elsass mit seinem Denkmal zur Zweitausendjahrfeier der
Stadt, indem er einen Januskopf als Symbol wählte, der den positiven Einfluss zweier Kulturen,
aber auch den negativen zweier Machtgelüste symbolisiert.
Dieser kurze historische Abriss verdeutlicht, dass über die gesamte Zeit der Belle Epoque Straßburg
zum Deutschen Reich gehörte. Abgesehen von der unerfreulichen Tatsache, dass die Stadt zu einer der wichtigsten
Festungen gegen Frankreich ausgebaut wurde, wurden auch neue Verwaltungsgebäude, kulturelle Bauwerke
und Wohnviertel errichtet. Viele Architekten kamen aus Deutschland ins neue "Reichsland
Elsaß-Lothringen" und brachten den Jugendstil mit, aber der Einfluss von Guimard aus Paris, Horta
aus Brüssel und die Nähe von Nancy verbanden diesen mit dem Art Nouveau französischer Prägung.

Im Faltblatt zur Ausstellung Straßburg um 1900 in Stuttgart 2012 schreibt ihr Kurator Jörg Kleinbeck dazu: "In Straßburg lassen sich heute noch über 120 Gebäude mit typischen Jugendstil-Gestaltungselementen aus der Zeit um 1900 nachweisen. Fast alle Gebäudetypen sind hierbei vertreten. Das Spektrum reicht vom einfachen Wohnhaus über die großbürgerlichen Miets- und Geschäftshäuser, vom Städtischen Schwimmbad und Schulhaus, vom privaten Gewerbebetrieb bis hin zu den mondänen, herrschaftlichen Villen, großzügigen Brückenanlagen und eleganten Kaufhäusern jener Epoche. Die meisten folgen einem ganzheitlichen Gestaltungsprinzip, das alle Gebäudeteile umfasst: Von der Fassadengestaltung mit Balkonen und Fenstern über die Treppenhäuser und Hausflure bis hin zur Gartenanlage. Im Zusammenspiel mit hochwertig bearbeiteten Materialien wie Glas, Holz, Sandstein, Klinker, Metall und gebrannten Kacheln wird für das einzelne Gebäude meist eine individuelle Lösung gesucht und gefunden. Die Lust am Gestalten, die Freude an der Beherrschung des Materials ist auf allen Ebenen ständig sichtbar und macht den großen Reiz dieser Gebäude aus, die in ihrem fast unerschöpflichen Formenreichtum den Betrachter bis heute immer wieder überraschen."