Die Belle Epoque in Europa
Österreich
Wien: Otto Wagner (1841-1918) III
Wiener Stadtbahn-Stationen (1894-1901)
In dem relativ kurzen Zeitraum von sieben Jahren entwarf und erbaute Otto Wagner
mit einem Stab von mehr als siebzig Mitarbeitern die Wiener Stadtbahn (heute U-Bahn). Dabei entstanden rund 80 km Streckennetz, rund 40 Haltestellen
sowie 15 Brücken und Viadukte für vier Linien. Die Stadt Wien war nach zwei großen Stadterweiterungen 1850 und 1890 zur Millionenstadt
geworden; ein erster großer Eingriff in die Stadtgestaltung war der in den 1860er Jahren errichtete Ring. Nun brauchte man aber neben Straßen
auch Massentransportmittel, die in erster Linie - anders als die Ringstraße - die innere Stadt mit den alten und neu hinzugekommenen
Vorstädten verband, ohne sie jedoch dadurch voneinander zu trennen, was Otto Wagner durch exakt geplante Durchbrüche und Brücken meisterlich
gelang. Wiens ÖPNV ist bis zum heutigen Tag ein hervorragend funktionierender Metropolen-Nahverkehr.
Die Stadtbahn wurde zum Teil als Hoch-, zum Teil als Tiefbahn gebaut. Die Haltestellen der Tiefbahn sind hallenförmig errichtet und bilden eine Art
Gleisüberführung. Die hier abgebildeten Stationen Stadtpark, Kettenbrückengasse, Pilgramgasse (beide am Wienfluss) und Schönbrunn
mit ihren klaren kubischen Formen, dem sparsamen geometrisch-floralen Ornament und dem dekorativen Glas-Eisen-Vordach sind typisch für diese
Tiefbahnstationen; möglicherweise hat sich Wagner hier an Wiener Stadttoren (bes. dem 1821-24 errichteten Äußeren Burgtor) orientiert.
Karlsplatz
Die Haltestelle am Karlsplatz ist ebenso eine Besonderheit hinsichtlich ihrer Gestaltung wie der Hofpavillon für Mitglieder der kaiserlichen Familie in Hietzing am Schloss Schönbrunn. Es wundert wenig, dass die Karlsplatz-Pavillons zu den beliebtesten Wien-Motiven zählen, sind sie doch von erlesener Schönheit und markante Beispiele der Art Nouveau, wenn auch weniger des Wiener Jugendstils. Otto Wagner musste sich hier einerseits an der gegenüber liegenden Karlskirche (mit Verlaub, Majestät, eine barocke Scheußlichkeit) orientieren, deren freier Anblick nicht verstellt werden durfte; andererseits scheinen sie von Olbrichs Secessionsplänen positiv beeinflusst worden zu sein: "Die beiden Pavillons am Karlsplatz sind in ihrer Weise Meisterwerke. Um die Betrachtung der Karlskirche nicht zu stören, hat der Architekt sie so klein gemacht, als ihm gestattet wurde. Zierliche, leichte Gebilde in poliertem weißem Marmor, Eisen und sezessionsgrünem Dekor." (Ludwig Hevesi: Acht Jahre Secession, Wien 1906, zitiert nach Blaschke/Lipschitz)
Schönbrunn/Hietzing: Hofpavillon
Wie die beiden Gebäude am Karlsplatz, so fällt auch der Hofpavillon aus dem Rahmen. Von der äußeren Form her stellt er wohl eine Art barocken Jagdtempel dar, lehnt sich jedoch in Material (Eisen), Dekor (das erhabene, unschuldige Weiß sowie Gold) und Farben ("sezessionsgrün") durchaus an die übrigen Pavillons an.