Österreich

Wien: Die Ausstellungshalle der Secession (1897/98)

Joseph Maria Olbrich (1867-1908)

Schon bei der Gründung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession waren sich die Mitglieder darüber einig, dass ein eigenes Ausstellungshaus errichtet werden sollte. Der zu dieser Zeit gerade erst 30 Jahre alte Architekt Joseph Maria Olbrich, damals Mitarbeiter im Atelier von Otto Wagner, wurde mit dem Entwurf des Bauwerks beauftragt. Ursprünglich sollte das Gebäude an der Wiener Ringstraße errichtet werden, doch erregten die Ideen Olbrichs heftigen Protest im Wiener Gemeinderat. Daher wurde der Bauplatz in die Friedrichstraße verlegt, woraufhin der Gemeinderat die "Erbauung eines provisorischen Ausstellungspavillons auf die Dauer von längstens zehn Jahren" (Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 17. November 1897) genehmigte und den Baugrund zur Verfügung stellte. Das Geld für den Bau wurde zum Teil aus dem Erlös der I. Ausstellung in der k. k. Gartenbaugesellschaft gewonnen, zum Teil von Förderern, vor allem dem Industriellen Karl Wittgenstein, dem Vater des Philosophen Ludwig Wittgenstein. In zehnmonatiger Planung hat Olbrich das Gebäude entwickelt, den sich ändernden Bedingungen angepasst und überarbeitet; am 28. April 1898 wurde der Grundstein gelegt und bereits sechs Monate später, am 29. Oktober 1898, war das Gebäude fertig gestellt.

Das Gebäude ist in zwei Teile gegliedert: In den symbolhaften "Kopf", verkörpert durch den repräsentativen Eingangsbereich unter der goldenen Laubkuppel, sowie den axial dahinter liegenden "Leib", der funktionale Ausstellungstrakt, der wie eine Basilika in ein erhöhtes Mittelschiff, zwei niedrigere Seitenschiffe und ein abschließendes Oberschiff gegliedert und von zeltartigen Glasdächern überdeckt ist, die dem Innenraum gleichmäßig Licht spenden. Über dem Eingangsbereich thront die von vier Pylonen umfasste goldene Lorbeerkuppel. Der Lorbeer befindet sich als dominierendes florales Element auch auf den Seiten sowie an allen Pfeilern und umkränzt die Gorgonenhäupter über der Eingangstür, welche die drei Künste Malerei, Architektur und Plastik symbolisieren und aus deren Haaren sich Schlangen herauswinden. Ebenso wie die Eulen sind sie ein Entwurf von Kolo Moser und stellen Unheil abwehrende Symbole von Pallas Athene dar, der griechischen Göttin der Weisheit, der Wissenschaften und der Künste.

Ver Sacrum, der heilige Frühling, symbolisiert den Neuanfang, die neue Bewegung in der Kunst; er bezeichnete ursprünglich ein antikes Ritual, nach dem eine im heiligen Frühling geborene Jugend ausziehen soll, ein neues Gemeinwesen zu begründen. Auch wählte die Secession Ver Sacrum für die von ihr ab 1898 herausgegebene Zeitschrift.

Die strenge Symmetrie, die sakralen Anspielungen, die großen, ungebrochenen Flächen und der ungewöhnliche Dekor sowie die auffallende städtebauliche Positionierung sorgten um die Jahrhundertwende für einen Skandal. "Mauern sollten es werden, weiß und glänzend, heilig und keusch", schrieb Olbrich. Der Wiener Schmäh verspottete den Bau als "Tempel für Laubfrösche", "Zwittergeburt zwischen Tempel und Magazin", "Grabmal des Mahdi", "Krematorium", "Mausoleum" oder "Ägyptisches Königsgrab", die Kuppel als "Krauthappl" (Kohlkopf). Die völlig neue Form verunsicherte, weil sie keinem herkömmlichen Bautypus zugeordnet werden konnte, und entsprach daher besonders gut dem Streben nach künstlerischem Neubeginn. Heute bildet die Secession einen Höhepunkt des Wiener Jugendstils.